28. Nov. 2024
Schon wieder passiert?!: Kampf um Ressourcen und Burnout (Teil 4)
Was sind systemische Muster?
Systemische Muster (oder auch Systems Archetypes) gehen auf den Organisationsentwickler und MIT-Professor Peter Senge zurück. Sie beschreiben häufig beobachtetes Verhalten, das sich auf verschiedenste Kontexte übertragen lässt.
Das Besondere daran: Die Beschreibungen machen Struktur und Dynamik dieser Teufelskreise sichtbar. Dadurch lässt sich nicht nur besser verstehen, wie ein wiederholtes Verhalten zustande kommt, sondern auch wie es sich über Zeit verhält und verändern lässt.
Tragedy of the Commons: Das Muster, das zu Kampf und Burnout führt
Die „Tragedy of the Commons”, übersetzt “Tragödie der Gemeingüter“, beschreibt eine Situation, in der eine gemeinschaftlich genutzte Ressource überstrapaziert wird, weil jede beteiligte Partei in ihrem kurzfristigen eigenen Interesse handelt. Das führt langfristig zur Zerstörung der Ressource und damit zum Schaden aller Beteiligter.
Ein konkretes Beispiel für mangelnde Ressourcen und Burnout
In einem Unternehmen wird eine begrenzte Zahl von Projektmanagern von verschiedenen Abteilungen genutzt. Da jede Abteilung möglichst viele Ressourcen für ihre Projekte beanspruchen möchte, wird der Arbeitsaufwand der Projektmanager zu hoch, was letztlich zu Burnout und einer schlechten Projektabwicklung führt. Die übermäßige Nutzung dieser begrenzten Ressource schadet am Ende allen Abteilungen.
Ein anderes Beispiel ist die Überbeanspruchung sogenannter Wissensinseln: Das sind Mitarbeitende, die oft durch lange Betriebszugehörigkeit und spezielle Kenntnisse an vielen verschiedenen Stellen im Unternehmen eingesetzt und als unersetzlich wahrgenommen werden. Diese Menschen zerreißen sich oft regelrecht, um den unterschiedlichen Ansprüchen gerecht zu werden, inklusive eigener Leistungsvorstellungen. Sie brennen langsam und oft unbemerkt aus.
Wie passiert das?
In einem Tragedy of the Commons-Szenario handelt jede beteiligte Person in ihrem eigenen, oft kurzfristigen Interesse und beansprucht dafür eine gemeinschaftlich genutzte Ressource. Wird die Menge dieser individuellen Aktivitäten insgesamt jedoch höher als das System sie tragen könnte, wird die Ressource überbeansprucht, nimmt Schaden und steht nicht mehr zur Verfügung.
Auch bei diesem Muster ist die Zeit ein kritischer Faktor. In einer Tragedy of the Commons-Situation ist der Kipppunkt für die Beteiligten nicht vorhersehbar, ab dem die Ressource nachhaltigen Schaden nimmt. Das gilt insbesondere auch für die beteiligten Menschen, die in diesem Szenario als Ressource genutzt werden.
Daher lässt sich die Situation nicht einfach beheben oder die Belastung zurückschrauben, sobald der Schaden erkennbar ist. Oft ist es dann bereits zu spät und die Situation verlangt nach einer umfangreicheren Intervention - in schlimmen Fällen auch einer medizinischen Behandlung von Mitarbeitenden, die durch ein solches Muster in einen Burnout geraten sind.
Wie lässt sich das Muster der Tragedy of Commons durchbrechen?
Effektive Lösungen von Tragedy of the Commons-Szenarien finden nicht auf individueller Ebene statt. Es handelt sich um ein systemisches Problem, das systemisch gelöst werden sollte.
Die Frage, die ich in einer solchen Situation zuerst untersuchen würde, ist: „Was bewegt die Beteiligten dazu, ausschließlich im eigenen Interesse zu handeln?“ Das Ziel ist dann herauszufinden, was getan werden kann, um den beteiligten Personen ein realistisches Bild über die Verfügbarkeit von Ressourcen im Unternehmen zu verschaffen. Und mit ihnen über ihre Reaktionen auf dieses Bild zu sprechen.
Die Gründe für eine Überbeanspruchung von Ressourcen können vielfältig sein:
- Möglicherweise sind die Ansprüche an die Beteiligten zu hoch, sodass sie mit weniger Mitteln ihre vorgegebenen Ziele nicht erreichen könnten.
- Oder die Art der Budgetplanung im Unternehmen motiviert dazu, bestimmte Ressourcen übermäßig zu beanspruchen.
- Oder die Unternehmenskultur fördert starken Wettbewerb unter Mitarbeitenden und damit egozentrisches bis rücksichtsloses Verhalten.
- Oder es ist ein Mangel im Wissensmanagement erkennbar, der dazu führt, dass zu viele Projekte vom Wissen zu weniger Menschen abhängen.
Nur um ein paar Möglichkeiten zur Erklärung solchen Verhaltens zu nennen.
Sowohl die Verteilung von Ressourcen als auch der Schutz von Mitarbeitenden sind eindeutig Führungsaufgaben, sodass ein Tragedy of the Commons-Problem auch auf Führungsebene gelöst werden sollte.
Klare Ressourcenmanagement-Richtlinien und eine transparente Priorisierung von Projekten können helfen. Voraussetzung dafür ist eine Transparenz über die Kapazität entsprechender Ressourcen. In manchen Organisationen liegt der erste Schritt zur Problembehebung darin, eine solche Transparenz herzustellen.
Da der Schaden, der durch ein solches Muster entsteht, gravierend und nachhaltig sein kann, insbesondere wenn es um die Überbeanspruchung von Menschen geht, sollten sich Organisationen präventiv mit einer gesunden Nutzung gemeinschaftlicher Ressourcen beschäftigen.
Wenn Sie kurz darüber nachdenken: In welcher Situation haben Sie zuletzt ein Tragedy of the Commons-Szenario angetroffen? Haben Sie dabei die Ressource genutzt oder waren Sie selbst die Ressource?