28. Aug. 2025

Konflikte moderieren: Was wirklich hilft

Konflikte in Teams sind oft komplex, emotional und zeitkritisch – doch mit der richtigen Moderation lassen sich selbst verhärtete Fronten überraschend konstruktiv auflösen. Eine klare Struktur, kluge Regeln und die gezielte Auflösung von „Lagern“ können einen festgefahrenen Konflikt entschärfen und verloren gegangenes Vertrauen wiederherstellen.
2024 Marc Riedinger

Autor:in

Marc Riedinger

Text auf dunkelgrünem Hintergrund: "Konfliktgespräche? Regeln, die wirklich helfen."

Konflikte sind in Teams unvermeidlich – doch was tun, wenn sie zu eskalieren drohen? Erst kürzlich war ich beauftragt, einen Konflikt zu moderieren. Und es war kompliziert - wie es gerne ist: 

  • Der Konflikt brodelte schon eine Weile.
  • Es waren viele Personen und Sichtweisen involviert.
  • Die Situation war auf allen Seiten emotional stark aufgeladen.
  • Es gab relevante hierarchische Gefälle.
  • Es hatten sich schon Lager gebildet (ein Zeichen für Konfliktverhärtung).
  • Die Zeit, zu deeskalieren und eine konstruktive Lösung zu finden, war sehr knapp.

Für solche Fälle brauche ich eine starke methodische Struktur, die mir und den Beteiligten genug Sicherheit bietet, um auch unter Zeitdruck den Konflikt positiv zu wenden. 

Hat es funktioniert? Ja, und zwar deutlich besser als ich erwartet hatte. Der Konflikt konnte beigelegt werden und zuvor verlorengegangenes Vertrauen zwischen den Konfliktparteien war wieder hergestellt. Dreh- und Angelpunkt war dabei ein etwa dreistündiger Workshop, bei dem die Konfliktparteien zusammenkamen und den ich folgendermaßen aufgebaut hatte:

Konflikt-Phase 1: Einleitung mit Spielregeln

In den ersten etwa zehn Minuten habe ich die Gruppe gebeten, sich während des Workshops an drei Regeln zu halten:

  1. Was hier geschieht, bleibt hier. Diese Regel ist weitgehend auch als Vegas-Regel bekannt („What happens in Vegas stays in Vegas“) und sensibilisiert die Beteiligten, dass hier ein offener und gleichzeitig geschützter Gesprächsraum entsteht. Was nach dem Workshop nach außen getragen werden kann, muss demnach mit der Gruppe zuvor abgestimmt sein.
  2. Wir trennen Person und Aussage oder Handlung. Es ist völlig in Ordnung und unproblematisch, sich auch radikal gegen eine Aussage oder Handlung einer Person zu positionieren, sofern nicht diese Person als Ganzes angegriffen wird. Sonst kann es zu (nachvollziehbaren) Verteidigungshaltungen kommen, die den Konflikt nur verhärten. Wir konzentrieren uns auf Aussagen und Handlungen, nicht auf Personen.
  3. Wir trennen Beobachtung und Rückschlüsse. Gerade wenn wir stark emotional involviert sind, fällt es uns schwer auseinanderzuhalten, was wir wirklich gesehen oder gehört haben und wie wir diese Beobachtungen interpretieren. Beides formt unser Bild einer Situation. Daher versuchen wir das tatsächlich Beobachtete zu trennen von Rückschlüssen, die wir bewusst oder unbewusst gezogen haben.

Ich hielt diese Regeln auf einem Whiteboard im Raum fest, erklärte ihren Zweck und beantwortete Verständnisfragen der Teilnehmenden. Mir war wichtig, dass alle verstehen, warum uns diese Regeln beim Umgang mit dem Konflikt helfen. Und ich sagte den Beteiligten zu, mich selbst an diese Regeln zu halten und dafür zu sorgen, dass sie während des ganzen Termins konsequent eingehalten werden.

Konflikt-Phase 2: Aufbrechen der Lager

„Bevor wir uns alle gemeinsam über den Konflikt unterhalten, möchte ich mit euch die wichtigsten Punkte erarbeiten und die Diskussion vorbereiten.“ Alle sollten zunächst für sich auf einem Blatt Papier drei Fragen beantworten:

  1. Was habe ich tatsächlich gesehen, gehört oder gelesen (in Bezug auf den Konflikt)?
  2. Welche Rückschlüsse habe ich daraus gezogen?
  3. Was ist also heute wirklich wichtig zu besprechen?

Nach ein paar Minuten setzte ich immer zwei Personen zusammen, mit der Aufgabe, die wichtigsten Punkte für die Gegenüberstellung zu erarbeiten. Was sie dabei aus ihren persönlichen Beobachtungen und Interpretationen teilen wollten, blieb ihnen frei überlassen.

Dann, etwa eine Viertelstunde später, wurden immer zwei Duos zusammengesetzt, wieder mit der Aufgabe, sich auf die wichtigsten Gesprächspunkte für das Konfliktgespräch zu einigen. Schließlich präsentierten die 4er Gruppen allen Beteiligten ihre jeweilige Sichtweise und wir einigten uns gemeinsam auf die zu priorisierenden Themen.

Mit dieser Vorgehensweise konnte ich drei Ziele für die Konfliktlösung erreichen:

  • Jede:r Beteiligte reflektierte die eigene Sicht und Position im Konflikt (inklusive ihrer Grenzen).
  • Die verschiedenen Sichtweisen konnten schnell und strukturiert gebündelt werden, wobei jede Perspektive gehört wurde.
  • Die Lager wurden weicher, weil nicht, wie von den Teilnehmenden erwartet, zwei Lager gegeneinander „antraten“, sondern sich die Konstellationen in den Gesprächen mehrfach änderten.

Am Ende dieser Phase war die Gesprächssituation eine völlig andere als zu Beginn, sowohl was die Inhalte als auch die Atmosphäre anging.

Konflikt-Phase 3: Gegenüberstellung und Auflösung

Nun konnte ich die Teilnehmenden guten Gewissens relativ frei über die von ihnen priorisierten Konfliktaspekte diskutieren lassen – der Boden für eine konstruktive und sachlichere Diskussion war gelegt. Durch das Etablieren der Spielregeln und die Gruppenarbeit in Phase 2 war bereits eine gemeinschaftliche Ausrichtung auf das Lösen des Konflikts und eine deutlich deeskalierte Gesprächsatmosphäre entstanden. 

Dabei gab ich den Beteiligten nur eine übergeordnete Frage als Ziel mit: „Was braucht ihr, um wieder vertrauensvoll miteinander arbeiten zu können?“ 

Was ist noch wichtig für die Konfliktlösung?

Auch wenn diese spezielle Konfliktmoderation sehr gut funktioniert hat, möchte ich aus diesem Workshop-Konzept kein Schema oder Rezept ableiten. Was sich aus meiner Sicht aber verallgemeinern lässt, ist das Aufbrechen verhärteter Strukturen und eine Gesprächsatmosphäre, die von den Gedanken der drei Spielregeln geprägt ist. Welche Methodik sich dafür am besten eignet, ist sicher auch eine Frage von persönlicher Präferenz und vor allem von der jeweiligen Konfliktsituation.

Außerdem lassen sich, denke ich, noch zwei weitere Dinge verallgemeinern, wenn es um die Arbeit mit solchen Konflikten geht: Es braucht eine moderierende Person, die nicht in den Konflikt verwickelt ist (also keine eigenen Interessen dabei verfolgt) und solche Gegenüberstellungen sollten in Präsenz stattfinden. Konfliktbeteiligte kommunizieren stark (und teils unbewusst) über Körpersprache – und die lässt sich in einem Remote-Meeting nur sehr eingeschränkt lesen. 

Wie lösen Sie festgefahrene Konfliktsituationen auf? Lassen Sie es mich wissen!

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