22. Juli 2025
Agentic Software Engineering in der Praxis

Das Projekt: KI-native Entwicklung eines Hafenbahn-Systems
Unser Praxisbeispiel ist ein komplexes, mehrmandantenfähiges Dispositions- und Abrechnungssystem für Hafenbahnen. Ziel war, sämtliche Operationen – von der grafischen Disposition über automatisierte Abrechnung bis zu umfassenden Systemintegrationen – ausschließlich KI-gestützt zu entwickeln. Die Herausforderung: Kein manuelles Coding, hohe Komplexität, Echtzeitanforderungen und skalierbare Teamarbeit.
Von der Planung zur Umsetzung: Wenn die KI den Code übernimmt
Das Entwicklungsteam startete mit einer klaren Vorgabe: Kein Mensch tippt Code – alles läuft über Prompts und KI-Agenten. Nach ersten Experimenten mit verschiedenen Tools überzeugte besonders der Editor „Cursor AI“, der als Agent Zugriff auf das Dateisystem bekam und eigenständig Dateien anlegte, Code schrieb und das Projekt Stück für Stück zusammenbaute. Schnell zeigte sich: Für Einzelpersonen funktioniert das erstaunlich gut, im Team entstehen jedoch neue Herausforderungen. Der Agent kennt nur seinen eigenen Kontext und weiß nicht, was andere Teammitglieder bereits geändert haben. Das führt zu Konflikten und erhöhtem Abstimmungsbedarf.
Kontext ist alles: Die „Memory Bank“ als Wissensspeicher
Um den Kontextverlust zwischen den Arbeitssessions zu vermeiden, wurde eine sogenannte „Memory Bank“ eingeführt – eine strukturierte Wissensbasis, die Aufgaben, Kontext und Designentscheidungen dokumentiert. Das ermöglichte es dem Agenten, morgens schnell auf Stand gebracht zu werden. Der Fokus verschob sich: 80% der Arbeit bestand aus Planung, nur 20% aus eigentlicher Umsetzung – und die wurde weitgehend vom Agenten übernommen. Die wichtigste Erkenntnis: Je genauer und vollständiger die Planung, desto besser die Ergebnisse.
Neue Rollen, neue Herausforderungen durch KI-Agenten
Die klassische Arbeitsteilung im Entwicklungsteam – Frontend, Backend, QA – verschwimmt. Mit Agenten werden alle zu „Full Stack“-Entwicklern, die Verantwortung für ganze Features übernehmen. Testing bleibt eine Herausforderung: Zwar kann die KI schnell Tests generieren, aber ob diese wirklich das gewünschte Verhalten prüfen, muss weiterhin vom Menschen kontrolliert werden. Die besten Ergebnisse entstehen, wenn das Team zwei bis drei Wochen (oder mehr) in die Planung investiert, bevor die KI loslegt.
Was (noch) nicht funktioniert – und wohin die Reise geht
Wer glaubt, mit einem Prompt alles automatisieren zu können, wird enttäuscht. Agentic Coding ist kein Selbstläufer. Die Tools sind mächtig, aber nur so gut wie die Prompts und die Vorbereitung. Es braucht Disziplin bei Planung und Dokumentation, und die KI ist kein „magischer Knopf“, der alles automatisch erledigt. Das Team lernte, dass die besten Ergebnisse durch präzise Prompts, strukturierte Wissensablage und regelmäßige Reflexion entstehen. Auch die psychologische Umstellung ist nicht zu unterschätzen, denn die Arbeit verändert sich grundlegend: Weniger selbst tippen, mehr planen, mehr erklären – und das kann anstrengender sein als gedacht. Doch das Potenzial ist riesig: Komplexe Systeme lassen sich in Rekordzeit realisieren, wenn Mensch und KI effektiv zusammenarbeiten. Die Zukunft? Sie gehört den Teams, die Planung, Engineering-Know-how und KI intelligent verbinden.
Unser Fazit des Praxistests Agentic AI
KI verändert Business Engineering und Softwareentwicklung grundlegend. Präzision und Planung werden wichtiger, das Zusammenspiel von Mensch und Maschine ist der Schlüssel zum Erfolg. Während der Mensch weiterhin als kritischer Prüfer und kreativer Planer gefragt ist, übernimmt die KI immer mehr Routinetätigkeiten – und eröffnet damit neue Möglichkeiten für Geschwindigkeit und Innovation.